HEINZ ZANDER(1939 Wolfen - 2024 Leipzig)Grete und der Gärtner, 1988Öl auf Leinwand, 78 x 58 cm, gerahmt, links unten monogrammiert und datiert (19)88.Provenienz: Privatbesitz SachsenHeinz Zander studierte von 1959 bis 1964 an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig bei Bernhard Heisig. Anschließend wirkte er freischaffend in Leipzig. Von 1967 bis 1970 war er Meisterschüler bei Fritz Cremer an der Akademie der Künste Berlin. Er verstarb letztes Jahr im Alter von 84 Jahren in Leipzig.Zander besaß einen enormen Schaffensdrang, noch im hohen Alter, durch Krankheit und Krankenhausaufenthalte hindurch produzierte er Kunst in dem Maße, in dem seine Verfassung es ihm erlaubte. Von der Leipziger Schule geprägt, fand er sehr früh zu seinem individuellen Stil und wurde zu einem formidablen Ausnahmekünstler. Sein breites Wissen von und Interesse an zahlreichen künstlerischen, geschichtlichen sowie naturwissenschaftlichen Disziplinen befruchteten sein Werk, seine Phantasie so zügellos wie berauschend.Während Zanders Bilder zwar in altmeisterlichen Techniken ausgeführt sind und sich an Vorbildern des italienischen Manierismus orientieren, sind die skurrilen Darstellungen, Figuren und Farben gleichzeitig inhärent modern. Das Märchenhafte mischt sich mit dem Bedrohlichen, das Vitale mit dem Morbiden. Dem Verführerischen steht stets das Abstoßende nahe. So wird der schöne Schein von einer grausamen Wahrheit durchdrungen, die fiktiven Darstellungen gemahnt an die Abgründe der Realität.In der vorliegenden Arbeit stellt Zander sein Können als Meister der Farbgestaltung und feinen Linie unter Beweis. Das Gemälde besticht durch einen neomanieristischen Stil. Die für Zander typischen Orange-Töne werden kontrastiert vom dunklen Blau des Tuchs, das der weibliche Akt in der Bildmitte umhängen hat. Auch die Fülle an malerischen Details, die für ihn so charakteristisch ist, klingt überall an. Die Dame entstammt seinem weiblichen Figurenpersonal, sie präsentiert sich so schön wie unnahbar. So häufig wie Schönheit und Erotik in Zanders Werk auftauchen, so oft werden ihnen Vergänglichkeit und Verfall entgegengestellt. „Das Anmutige und das Dämonische halten als Gegenspieler Zanders Universum in Bewegung.“ (Leps, Ingrid: Der Leipziger Künstler Heinz Zander ist ein Meister des Verwirrspiels, LVZ 30.9.2019).Bizarre Gestalten und Charaktere, groteske, fratzenhafte Kreaturen bevölkern Zanders Bilder. Seine Fülle an Imaginationskraft zeigt sich vor allem im Wesen, das sich seitlich an die Dame schmiegt. Eine ihrer Hände ruht auf diesem Fabelwesen, die andere auf der Schulter des Gärtners, dessen Waden und Füße durch Baumstümpfe und Wurzeln ersetzt sind. Fabelwesen und Gärtner sind zwar wie Beschützer dargestellt, verwandeln sich aber in Gegenwart der Dame eher in Untergebene - ein Eindruck, der einerseits durch ihre Körpergröße, andererseits durch ihre starke Präsenz evoziert wird: Sie blickt die Betrachtenden aus völlig kühlen Augen an, ihr Gesichtsausdruck intensiv, aber teilnahmslos. "Phantastische Idealbildnisse der Frau hat Zander viele geschaffen, hochvollendet, voller Grazie, Schönheit und sinnlicher Verheißung. [...] Göttinnen, so überwältigend attraktiv und verführerisch wie gelegentlich auch zwielichtig, dominant und gefährlich, dann wieder puppenhaft zwar und verletzlich, eine subtile Mischung aus femme fragile und femme fatale, die dieses Paradies besiedelt. Mit provozierendem Blick und furchtbar verheißungsvollen Körpern, nackt oder aber in alte, kostbare, von fortwährendem Gebrauch zuweilen verschlissene Gewänder gehüllt, treiben sie ungehemmt ihr dunkles Spiel. Als Nymphen, Hexen, Hetären oder Odalisken, zu denen sich neben den Göttinnen vom Olymp noch allerlei andere mysteriöse Schönheiten, Lustgesindel und Verführungskünstlerinnen fügen, sind sie die eigentlichen Protagonisten in diesem Welttheater, in dem die Helden unversehens zu Opfern werden und das 'furchtbar schöne Weib' triumphiert. Unzählig sind die Inkarnationen dieser Macht." (Lindner, Gerd (Hrsg.): Heinz Zander. Wanderungen auf vergessenen Wegen, Bad Frankenhausen 2016, S. 113).Grundsätzlich neigt Zander dazu, seine Gemälde schwer deutbar zu gestalten. Bildinhalt und -titel sind in der vorliegenden Arbeit besonders schwer interpretierbar, der Titel mag in eine Richtung weisen, ohne allerdings den Schleier des Geheimnisses zu lüften. „Zanders Bilder wollen Signale für den Betrachter sein, sie nicht primär auf ein Abgebildetes zu befragen, sondern sie als Sprache aufzufassen, sie als semiotisch organisiert zu begreifen. Wie im bildnerischen Schaffen seines Lehrer Bernhard Heisig ein Herausarbeiten aus dem Schema von Abbildung und Abgebildetem - 'imaginärer' und 'realer Ordnung' - zu erkennen ist, das einem Verständnis von Signifikation vorarbeitet, so stellen - in ganz anderer Weise - die Schrift der Bilder oder die Sprache der Zeichen bei Zander Diskontinuitätsmomente dar, in denen die Systeme der Kunst sich öffnen und in Bewegung geraten.“ (Hammer, Klaus in: Grosses Welttheater, phantastischer Orbis Pictus oder kurioses Raritätenkabinett?, in: Heinz Zander. Hortus conclusus, Leipzig 1995, S. 25).Seine detailreiche Arbeitsweise wird in „Grete und der Gärtner“ ebenso anschaulich wie sein Hang zum Skurrilen, gar Albtraumhaften. „Er setzt seine Schönheiten und Schimären in unergründlichem Miteinander dramatisch in Szene, polarisiert Leben und Verderben, Pracht und Untergang. Die Gemälde sind mit Anspielungen, Ambivalenzen, doppelbödigen Botschaften durchsetzt. Nichts ist, wie es scheint. Immer wieder rankt sich das Treiben der betörenden Grazien und koboldhaften Kreaturen um menschliche Konflikte und existenzielle Probleme. Der Tiefgang dieser Welt erschließt sich nur fragmentarisch, was dem Sehvergnügen keinen Abbruch tut.“ (LVZ 29.5.2024)Schlagwörter: 20. Jahrhundert, 21. Jahrhundert, Bernhard Heisig, Figurative Kunst, Fritz Cremer, Leipzig, Leipziger Schule, Moderne Kunst, Nachkriegskunst, Neue Leipziger Schule, Werner Tübke, Zeitgenössische Kunst